Mehr Weitblick mit Weibblick – Eindrücke vom Neujahrsempfang der Karlsruher Frauenorganisationen
von Lisa Maria Schulte
Zum zweiten Mal haben neun Karlsruher Frauenorganisationen am dritten Januarsamstag zu einem gemeinsamen Neujahrsempfang geladen. Unter dem Motto „Weibblick mit Weitblick“ trafen sich 430 Frauen und vereinzelt auch Männer – ich mittendrin.
<!--break-->
Es ist kurz vor 11 Uhr, als ich am Samstagmorgen in die Tufahalle komme. Der Neujahrsempfang der Karlsruher Frauenorganisationen – für mich wird es das erste Treffen dieser Art. Nur mit Frauen über Themen von Lohnungleichheit, über Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis zur Arbeitsteilung im Haushalt zu diskutieren und mich auszutauschen, davon erhoffe ich mir neue Denkanstöße und Impulse. Auch hoffe ich bei den Clubs eine Anlaufstelle zu finden, wo ich mich für mir wichtige (Frauen-)Themen engagieren kann.
In der Halle herrscht schon reges Treiben: das Summen munterer Gespräche erfüllt den Raum, begleitet vom Klirren anstoßender Gläser und von freudigen Ausrufen des Wiedersehens. Im Gewimmel lerne ich Julia kennen. „Hi, bist du auch zum ersten Mal hier?“ frage ich. Julia lächelt und schon ist das Eis gebrochen. Bei Orangensaft und Brezeln erzählt sie mir, warum sie heute bei dem Treffen dabei ist. Julia interessiert sich besonders für die berufsbezogenen Clubs. „Es macht einfach Sinn, sich zu vernetzen – etwa um von neuen Trends und Ideen aus der eigenen Branche zu erfahren, aber auch um Kontakte in andere Branchen zu knüpfen.“ Davon könne sie natürlich auch auf gemischten Treffen erfahren. Diese Themen nur mit Frauen zu besprechen, empfindet sie aber als entspannter. So geht es auch Stefanie, mit der ich kurze Zeit später spreche. Sie arbeitet im IT-Bereich und könnte sich gut vorstellen, auf Dauer in einer Führungsposition zu arbeiten. Deshalb möchte sie sich mit erfahrenen weiblichen Führungskräften austauschen. Viele Probleme seien sicherlich ähnlich – egal ob für Männer oder für Frauen. „Ich denke aber schon, dass Frauen mit besonderen Hindernissen kämpfen müssen. Deshalb hoffe ich mehr darüber zu erfahren, wie andere Frauen mit diesen Problemen umgegangen sind.“ Schließlich trennen wir uns, denn jede möchte sich noch über die verschiedenen Frauenorganisationen informieren.
„Wenn wir nichts tun, dann passiert auch nichts“
Neun Frauenorganisationen haben in der Halle ihre Stände aufgebaut, zum Beispiel die Soroptimists, die sich weltweit für Ziele wie den ungehinderten Zugang zu Bildung für Frauen und Mädchen einsetzen. Mit dabei sind auch die Femmes-Pamina Karlsruhe, denen der interkulturelle Austausch mit anderen Frauen in der Region Südpfalz, Oberer Mittelrhein und Nordelsass besonders am Herzen liegt. Die Digital Media Women möchten Frauen auf Konferenzen, in Fachmedien oder im Management Board sichtbarer machen.
Ich entscheide mich, als Erstes bei den Business and Professional Women Germany (BPW) vorbeizuschauen. Am Stand des BPW Clubs Karlsruhe herrscht dichtes Gedränge. Gerade erklärt ein Mitglied die Grundsätze des Clubs. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Frauen in Führungspositionen – dafür engagiert sich der Verein überparteilich und überkonfessionell. Genau das habe sie gesucht, sagt eine Frau neben mir. „Frauen müssen sich über Religions- und Parteigrenzen hinweg zusammenschließen“, ist sie überzeugt. „Auch wenn wir natürlich in vielen Bereichen unterschiedliche Ansichten haben – in puncto Frauenthemen bestehen viele Gemeinsamkeiten.“ Für sie ist die Frauenquote ein wichtiges Thema, für das sie sich einsetzen möchte und Mitstreiterinnen sucht. „Wenn wir nichts tun, dann passiert auch nichts.“
Eine Stunde und manches interessante Gespräch später beginnt um 12 Uhr das offizielle Programm. Moderatorin Nicole Köster ruft den ersten Gast auf die Bühne – mit Sozialbürgermeister Martin Lenz ausgerechnet einen Mann. Der freut sich sichtlich, da zu sein. „Ohne das Engagement auch von Frauenorganisationen wären viele Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern nicht möglich gewesen“, so Lenz.
100 Jahre nach der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts gebe es noch in einigen Punkten Nachholbedarf, zum Beispiel, wenn es darum gehe, mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen zu bringen – auch in der Verwaltung der Fächerstadt. So bestehe die Mitarbeiterschaft zwar zu 53 Prozent aus Frauen. „Bei den Amts- und Abteilungsleitungen machen Frauen aber nur gut ein Drittel der Führungskräfte aus – da ist noch Luft nach oben“, meinte Lenz selbstkritisch. Dennoch es gebe auch positive Entwicklungen in Sachen Gleichberechtigung. So werden mit dem Amtsantritt von Bettina Lisbach als Leiterin des Umweltdezernats ab Februar 2019 erstmals zwei der sechs Bürgermeistersitze mit Frauen besetzt sein. In seinem eigenen Dezernat gebe es besonders viele Frauen in Führungspositionen. So leite Karina Langeneckert die Sozial- und Jugendbehörde, immerhin die größte Behörde der Stadt. Elisabeth Peitzmeier sei Chefin des Stadtjugendausschusses und Silke Hinken Leiterin des Schul- und Sportamtes. Zudem versuche die Stadt durch Teilzeit-Modelle für Führungskräfte und verschiedene Fortbildungsprogramme mehr Frauen für verantwortliche Positionen zu gewinnen. Trotzdem: „Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zu echter Gleichberechtigung!“ so der Sozialbürgermeister.
Anpassung als Strategie auf dem Weg nach oben
Ähnlich sieht das die Hauptrednerin des Neujahrstreffens in ihrem Impulsvortrag „Die gläserne Decke für Frauen - Mythos oder Wahrheit?“ Birgit Frohnhoff war als Diplom-Ingenieurin 18 Jahre lang in verschiedenen Telekommunikationsunternehmen als Führungskraft tätig. Seit 2015 ist sie im Management des IT-Dienstleisters Fiducia & GAD IT und verantwortet dort mittlerweile das Vorstandsressort „IT-Infrastruktur und Vertrieb“. Als Frau in den oftmals reinen Männerzirkeln der Führungsebene sei häufig nicht leicht gewesen. Es habe viel Kraft gekostet, die Vorurteile der anderen Führungskräfte, aber auch die der ihr unterstellten Mitarbeiter auszuräumen, etwa wenn ihre fachliche Kompetenz aufgrund ihres Geschlechts in Frage gestellt wurde. Doch sie habe sich durchgebissen, Mitstreiter und Unterstützer gefunden und sich nach und nach Respekt verschafft. Ihr Tipp: „Männer in der Führung sind stark wettbewerbsorientiert und manchmal kann es auch ganz schön krachen – wenn ihr als Frauen oben mitspielen wollt, müsst ihr euch an die Regeln halten.“ Ob es nicht möglich sei, diese Regeln zugunsten eines weiblicheren Stils zu ändern? will eine Frau aus dem Publikum wissen. „Ja“, sagt Frohnhoff nachdenklich, „aber bis es soweit ist, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern.“ Das Fazit ihres Vortrags: Die gläserne Decke – sie bestehe tatsächlich – das habe sie immer wieder anhand von Vorurteilen erlebt. Doch sie bestehe auch in den Köpfen der Frauen. „Wir Frauen müssen mit Mut vorangehen und dürfen uns von Hindernissen nicht einschüchtern lassen.“
Mit Mut in die Zukunft gehen – diesen Ausspruch diskutiere ich später noch mit zwei jungen Frauen aus dem Energiebereich. Auch sonst komme ich noch mit einigen ins Gespräch. Es geht um Frauenthemen, aber auch um Berufsbilder und Ideen für neue Projekte. So manche Visitenkarte wechselt die Besitzerin. Neue Impulse zu bekommen und Mitstreiterinnen zu finden – meine Hoffnungen hat das Neujahrstreffen der Frauenorganisationen voll erfüllt. Und eines ist mir noch ein wenig klarer geworden: Die Welt braucht noch mehr Weitblick mit Weibblick – und Mut, um zukünftige Herausforderungen zu meistern.